Karl Horst Hödicke - Hand und Fuß

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Kuratiert von:

Galerie Noah

Es rauscht die S-Bahn großspurig vorbei, als Triptychon, schnell hingepinselt, weit hinten, abseits des Besuchers, so, als wolle diese sagen, Achtung, Achtung, lebe den Moment. Gegenüber, im kleinen Kabinett, grüßt die Mumie aus einer Baustelle, in der Nähe erliegt der Mensch der gewaltigen Präsenz des Löwen, es salutieren die geschundenen „Armisten“ in Armbinde, und es tanzt das junge Mädchen eng umschlungen mit dem skelettierten Tod den Tanz ihres Lebens. Aus allen Ecken flüstert hier, ja, spricht eigentlich klar und deutlich der große Dokumentator wesentlicher Kleinigkeiten im unwesentlich Alltäglichen, der Meister des Schweren in leichtfüßiger Bildsprache, der großartige Maler, Bildhauer und Grafiker Karl Horst Hödicke aus Berlin – der, jüngst verstorben, in Augsburg doch leicht verschmitzt, weise und klug von der Leinwand lächelt, in Form seines letzten Selbstbildnisses von 2023.
Wir freuen uns von Herzen und fühlen uns geehrt, mit einer eigens kuratierten Retrospektive diesem ganz besonderen Meister der expressiven Malerei huldigen zu dürfen. In enger Kooperation mit der Familie Hödicke und der Berliner Galerie König ist es gelungen, eine Ausstellung auf die Beine zu stellen, die das Leben, die Entwicklung, die Intention und den Charakter dieses so bedeutenden deutschen Künstlers umreißt, in dessen so typisch impulsiven wie perfekt gesetzten Strichen nachzeichnet; das mit malerischen wie plastischen Arbeiten in Polyesterharz, Alabaster und Bronze ab 1964 bis 2023.
Er, Karl Horst Hödicke, 1938 in Nürnberg geboren, studiert Malerei bei Fred Thieler, einem Informellen, an der Hochschule der Künste Berlin; gründet kurz danach, 1964, mit Markus Lüpertz und Bernd Koberling die legendäre Galerie Großgörschen 35, bis es dann nach New York geht – es entstehen Kurzfilme, stark beeinflusst von der Dynamik wie der Anonymität der Metropole, Themen, die ihn nicht mehr loslassen werden. Er erhält das Villa-Massimo-Stipendium in Rom, und startet durch, im Prinzip eine Welt-Karriere: In den 1970er und 1980er Jahren jagt eine internationale Schau die nächste, die „documenta“ in Kassel 1977, Museen wie das Museum of Modern Art in New York, das Hammer Museum in Los Angeles, die Royal Academy of Arts in London, der Martin-Gropius-Bau Berlin stellen ihn früh schon aus; „A New Spirit of Painting“, „New Figuration – Contemporary Art from Germany“,
„Neuer Realismus“ sind all diese Ausstellungen betitelt – bezeichnend, der deutsche Neoexpressionismus, die neue deutsche Figuration, die „Jungen Wilden“ ward geboren. Seine langjährige Professur an der Universität der Künste Berlin von 1974 bis 2005, mit Schülern wie unter anderem Salomé und Helmut Middendorf, gibt ihm schließlich Recht, hinterlässt Spuren. Mit Abwendung von der abstrakten Malerei, dem Informell, dem Tachismus, schlägt Karl Horst Hödicke – wie auch Georg Baselitz, Jörg Immendorff und A. R. Penck - einen neuen Weg für die Malerei in Deutschland ein, der Geschichte schreiben soll. Das Interesse an seiner Künstler-Persönlichkeit hat niemals aufgehört, bis heute, sicherlich und hoffentlich bis weit über seinen Tod hinaus: Es folgten und folgen auch und nicht nur die Teilnahme an der Biennale in Venedig, in all den großen Museen in den USA, in ganz Europa, in Deutschland nicht zuletzt in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt, dem Hamburger Bahnhof, der Berlinischen Galerie, dem Palais Populaire in Berlin, der Kunsthalle Bremen, dem Museum Brandhorst in München und und und … .
„Trickreich-schüchtern wie rauschhaft-nüchtern“ nannte der Lyriker Durs Grünbein Hödickes Mal-Stil, die Art, den Dingen um sich auf den Grund zu gehen. Vom Atelier am Potsdamer Platz aus, erst in Nähe des Todesstreifens, ab 1990 dann der Großbaustelle Berlin, beäugte Karl Horst Hödicke die Welt um sich, wachsam, hell, hellhörig wie humorig, spürte auf und nach und hinterließ in all seinen expressiv verfassten Genres, Bildnissen, Stillleben, Veduten letzten Endes nicht weniger als tiefgründige Allegorien auf das Leben, ein Leben ohne Fesseln und Kontrollzwang, mit Kritik am vorauseilenden Gehorsam, aber auch an in sich verlierender Individualität, ein Manifest der Freiheit, heiter bis wolkig gefärbt.
Wir verbeugen uns.

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